CCT-Forschungskolloquium zur Wirkung der Antike
Das CCT-Forschungskolloquium zur Wirkung der Antike bietet Mitgliedern der im CCT vertretenen Institute Gelegenheit, aktuelle Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Antikerezeption vorzustellen. Es richtet sich insbesondere an Nachwuchs-Wissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen, um fächerübergreifend den Kontakt und Austausch im Bereich der Renaissance auch unter jüngeren Forschern zu fördern.
Wintersemester 2013/14
Ovidische Nachdichtung auf Hendrick Goltzius‘ Metamorphosen-Zyklus (1589-1604)
Uta Schmidt-Clausen
Donnerstag, 16.1.2014, 18 Uhr c.t. im Walther-Kranz-Raum
Hendrick Goltzius (1558-1617) war ein bedeutender niederländischer Kupferstecher des späten 16. Jahrhunderts. Stilistisch wird er dem Manierismus zugerechnet. In den letzten Jahren wurde sein Werk dem deutschen Publikum durch mehrere Ausstellungen zugänglich gemacht (Hamburg 2002, Berlin 2008, Köln 2012). Man sah auch Blätter aus einer Folge von 52 Stichen zu den Metamorphosen des Ovid, die in Goltzius' Werkstatt nach seinen Zeichnungen gestochen und gedruckt worden waren. Gattungsgeschichtlich gehört diese Folge in den breiten Kontext der textbegleitenden Druckgraphik zu Ovid; ihr Anteil an Tradition und Innovation ist noch zu bestimmen. Die Blätter sind – wie die Mehrzahl von Goltzius‘ Graphiken – mit lateinischen Beitexten versehen. Um diese bisher kaum beachteten Texte geht es in dieser Untersuchung. Es handelt sich um Gebrauchstexte in starrem Kleinformat, doch in anspruchsvoller literarischer Faktur. Um präzise, detaillierte und überprüfbare Ergebnisse zu ermöglichen, wird als vorbereitende Methode eine Edition der über 200 Verse erstellt, mit Übersetzung, Quellen- und Similienkommentar. Auf ihrer Grundlage werden das Verhältnis von Bild und Text, von Text und Ovid-Vorlage, von Text und neulateinischen Vorgängern (Postius, Spreng) untersucht, ferner nach Stil und Funktion der Texte gefragt. Ein Ausblick auf das Fortleben der Texte soll den Abschluss der Arbeit bilden.
Sommersemester 2013
Weise Herrscher und Helden im Kampf gegen die "Barbaren"
Marsilio Ficinos Briefe an europäische Könige
Ursula Tröger (Abt. für Griechische und Lateinische Philologie)
Dienstag, 9. Juli 2013,18 Uhr c.t., HS IV
Das philosophische Programm des Humanisten Marsilio Ficino weckte im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts nicht nur das Interesse seiner Florentiner Mitbürger und Kollegen. Während Ficino selbst seine Heimat vermutlich nie verließ, verbreiteten sich seine Ideen in ganz Italien und auch jenseits der Alpen – in Frankreich, Deutschland und Ungarn. Davon legen Ficinos Briefe Zeugnis ab, die er zwischen 1473 und 1495 verfasste und veröffentlichte. In dem aus meinem Dissertationsprojekt zu den Epistole Marsilii Ficini Florentini erwachsenen Vortrag soll das Augenmerk vor allem auf Ficinos europäische Beziehungen gerichtet werden. Es werden zwei Briefe – an Matthias Corvinus von Ungarn und an Karl VIII. von Frankreich – mit Blick auf ihre historisch-soziale Kontextualisierung und literarisch-rhetorische Gestaltung exemplarisch vorgestellt.
(Ankündigung)
Sommersemester 2012
Leidenschaft, Vernunft und ihre Wahrheit –
Zum Fundament der Rhetorik des Ivan Lukarević
Dr. Raimund Weinczyk (Abt. für Slavistik, Uni Bonn)
Montag, 23.4.2012, 18 Uhr c.t., Hörsaal XI
Ivan Lukarević (1621-1709) kommt im Verhältnis Kroatiens zu Europa eine Schlüsselfunktion zu: als Kroate, Jesuit und "Römer". Den weitaus größten Teil seines Lebens verbringt er in Italien. In Rom lehrt er über viele Jahre Rhetorik. Ausdruck findet diese in Lukarevićs Werk Eloquentia, sive de inventione et dispositione rhetorica (1674), das als Manuskript vorliegt. Die Übersetzung seines Werks wird deutlich machen, dass er in einer Reihe mit anderen Größen kroatischer Kulturgeschichte steht. Bereits im 15. Jahrhundert beginnt die Epoche des kroatischen Latinismus. Kroatische Adlige und Bürger zieht es an italienische und andere Universitäten. Sie werden Schüler des Lukarević und transportieren seine Lehre nach Kroatien. Kulturtransfer setzt ein, in dessen Verlauf sich europäisches Geistesleben lange Zeit vor globalen Märkten und gemeinsamem Euro herausbildet.
Sommersemester 2010
Amoenitates Exoticae – ›Exotische Köstlichkeiten‹
Die lateinischen Forschungsberichte eines Orientreisenden des 17. Jahrhunderts
Dr. Astrid Steiner Weber (Abt. für Griechische und Lateinische Philologie)
Montag, 5.7.2010, 18 Uhr c.t., Hörsaal XIII
Der deutsche Arzt und Forschungsreisende Engelbert Kaempfer (1651–1716) veröffentlichte 1712 in Lemgo sein Hauptwerk, die lateinisch abgefassten Amoenitates Exoticae. Das fast 1000 Seiten umfassende Buch besteht aus fünf Bänden, in denen Kaempfer seine vielfältigen Beobachtungen und Erkenntnisse über Geographie, Politik und Kulturgeschichte sowie Botanik, Medizin und Landeskunde festgehalten hat, die er auf seiner 10-jährigen Reise (1683–1692) von Persien bis Japan gesammelt hatte. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter dem Dach des CCT geförderten Projekts soll dieses für die Frühe Neuzeit so bedeutende und interessante neulateinische Werk erstmals neu ediert, vollständig übersetzt und kommentiert werden. Der erste Band, der Kaempfers Aufenthalt in Persien zum Thema hat, wird z.Z. bearbeitet. Die einzelnen Komponenten – Transkription des lateinischen Druckes, deutsche Übersetzung, sprachlich-stilistische und sachliche Erläuterungen – fließen in eine digitale Edition ein, die ebenfalls im Bonner Projekt erstellt wird.
›We are Scotsmen, not Greeks‹ –
Classical Tradition und Streit um die Romantik in den Noctes Ambrosianae
Christian T. Frey (Abt. für Anglistik, Uni Bonn)
Montag, 3.5.2010, 18 Uhr c.t., Hörsaal XIII
Von 1822-35 erschienen in Blackwood's Edinburgh Magazine (BEM) unter der Haupt-Autorschaft von John Wilson, John Gibson Lockhart und William Maginn die Noctes Ambrosianae, eine Reihe von insgesamt 71 literarisch-satirischen Dialogen. Ihr wesentliches Merkmal ist die Authentizitätsfiktion, es handele sich um Niederschriften tatsächlich stattgefundener Gespräche des BEM-Herausgeberkreises sowie gelegentlich hinzutretenden Gästen. Als moderne schottische Form des antiken Symposions und der Noctes Atticae des Aulus Gellius verbinden sie zwei Traditionslinien der griechisch-römischen Antike miteinander. Neben Symposion und Buntschriftstellerei als literarischen Kunstformen findet sich der Rekurs auf die Classical Tradition hierbei nicht nur auf formaler, sondern auch auf inhaltlicher Ebene. Die in den Noctes Ambrosianae enthaltenen anti-romantischen Invektiven sollen anhand ausgewählter Textstellen vorgestellt und auf Argumentationstypen/-strategien hin untersucht werden. Dabei werden Mechanismen der Inklusion und Exklusion in Bezug auf die Bildung von Gruppenidentitäten (Griechenland-Britannien-Parallele, 'classicism' versus 'cockneyism') ebenso im Zentrum des Vortrags stehen.
Wintersemester 2009/10
Das Kolosseum in der Druckgraphik des 15. bis 19. Jahrhunderts
Dr. des. Stephanie Gropp (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Montag, 18.1.2010, 18 Uhr c.t., Hörsaal VI
Das von den Kaisern Vespasian, Titus und Domitian errichtete Amphitheatrum Flavium ist eines der bedeutendsten und bekanntesten Monumente Roms. Bereits im 15. Jahrhundert findet es Eingang in den druckgraphischen Bilderschatz zu der Stadt. Eine Fülle an Holzschnitten, Kupferstichen und Radierungen der verschiedenen Jahrhun¬derte bezeugt die außerordentliche Faszination, die das Monument als antikes Bauwerk und nachantike Ruine auf zeitgenössische Betrachter ausübt. Diese Material¬basis erlaubt es, die Auseinandersetzung mit dem Motiv des Kolosseums über den Zeitraum vom 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein zu verfolgen und einen Längsschnitt durch die Bildgeschichte des Monuments zu ziehen. Die Analyse druckgraphischer Kolosseumsbilder zeigt, dass diese keineswegs eine unverstellte Sicht auf die Realität vergangener Zeiten gewähren: Nicht allein das tatsächliche Aussehen des konkreten Baus, sondern auch die Kreativität der Künstler, die Geschäftspolitik der Verleger und Händler sowie die Erwartungshaltung der Kunden beeinflussen die Präsentation des Kolosseums in der Druckgraphik.
Sprache der Liebe, Sprache der Freundschaft, Sprache des Glaubens.
Zur Interferenz der Diskurse in Paul Flemings Dichtung
Dr. Beate Hintzen (Abt. für Griechische und Lateinische Philologie)
Montag, 2.11.2009, 18 Uhr c.t., Hörsaal VI
Der früh verstorbene Barockdichter Paul Fleming, Verfasser deutscher und lateinischer Lyrik, ist ein unglaublich eifriger Leser gewesen, und zwar der antiken lateinischen Literatur ebenso wie der zeitgenössischen lateinischen und volkssprachlichen. Dementsprechend sind seine Dichtungen ungeachtet des Etiketts „Erlebnis-Lyriker“, das ihm die frühere Forschung verlieh, in hohem Maße bildungs- und traditionsgesättigt.
Über die Feststellung von Traditionsketten hinaus soll nun gezeigt werden, wie sich in Flemings weltlichen Liebes- und Freundschaftsgedichten, in Epicedien und geistlichen Gedichten über die Grenzen von lateinischer und deutscher Sprache hinweg die Diskurse von Hohelied, antiker Liebeselegie und -epigrammatik, Petrarkismus, Platonismus und Neostoizismus kreuzen und Fleming neue Ausdrucksformen entwickelt.
Sommersemester 2009
Die Fragilität der humanistischen Lachgemeinschaft:
Hutten, Erasmus und ihr Streit über die Epistolae obscurorum virorum
Arnold Becker (Abt. für Griechische und Lateinische Philologie)
Donnerstag, 16.7.2009, 18 Uhr c.t., Hörsaal IV
Die Epistolae obscurorum virorum (EOV), in zwei Teilen 1515 und 1517 anonym veröffentlicht, sind im Zusammenhang mit dem Reuchlinstreit um das Verbot jüdischer Bücher entstanden, der sich rasch zu einem Streit zwischen einer konservativ-scholastischen und einer progressiv-humanistischen Partei ausweitete. Die Sammlung fiktiver Briefe, die von scholastischen Freunden und Schülern an den Kölner Reuchlingegner Ortwin Gratius gerichtet sind, gehört vor allem wegen der großartigen Parodie auf das spätscholastische Latein zu den bekanntesten Satiren des deutschen Humanismus.
Bisher wenig untersucht ist der Beitrag der Dunkelmännerbriefe zur Gruppenbildung der deutschen Humanisten in der unmittelbar vorreformatorischen Phase. Im Vortrag soll die humanistische Lachgemeinschaft im Umfeld der EOV anhand von zwei Protagonisten mit unterschiedlich engen Bindungen zu dieser Gemeinschaft näher in den Blick genommen werden: Ulrich von Hutten, der mit Sicherheit zu den Verfassern der EOV gezählt werden kann, und Erasmus von Rotterdam, der sich als ursprüngliches Mitglied der Lachgemeinschaft von dieser immer weiter distanzierte.
Epigramme und Sentenzen der Dichterin Kassia.
Zur Neugestaltung antiker Verskunst im 9. Jh.
Dr. Sonja Schönauer (Abt. für Griechische und Lateinische Philologie)
Montag, 11.5.2009, 18 Uhr c.t., Hörsaal VI
Die byzantinische Dichterin Kassia wird in der Forschung vergleichsweise wenig wahrgenommen. Obwohl ihr schon früh "Originalität der Gedanken" sowie "Eleganz und Klarheit" bescheinigt wurden, hat es seit der Erstausgabe einiger ihrer Gedichte 1897 kaum Forschungen gegeben, die sich vornehmlich mit diesen beschäftigen. Beachtung fanden zunächst ihre besondere Stellung als literarisch produktive Frau in Byzanz sowie die Legende um die Brautschau des Theophilos, bei der sich Kassia wiederum durch die Eleganz ihrer Replik ausgezeichnet haben soll. In byzantinischer Zeit zog ihre liturgische Dichtung die größere Aufmerksamkeit auf sich, während ihrer Profandichtung stets der undankbare Platz eines zweitrangigen Produkts zugewiesen wurde. Einzelne Studien haben indessen immer wieder auf Bezüge zur antiken Gnomenliteratur verwiesen. Der Vortrag möchte darlegen, in welchen Texten Kassia die Inspiration für ihre eigenen Gnomen und Epigramme fand und wie sie dieses Material umgestaltete.
Wintersemester 2008/09
Hieronymus, cuius me heredem conspicio.
Zur Hieronymusrezeption in den theologischen und monastischen Werken Peter Abaelards
Regina Heyder (Inst. für Kirchengeschichte)
Montag, 19.1.2009, 18 Uhr c.t., Hörsaal VI
Als Hieronymus 382 nach Rom kam, stieß er auf asketisch lebende, adlige Frauen, die intensive Sprach- und Bibelstudien betrieben. Briefe und Bibelkommentare dokumentieren den Austausch von Hieronymus mit diesen Frauen - Werke, die in den reformorientierten Klöstern des 12.Jahrhunderts vielfach gelesen wurden. Zu den facettenreichsten Hieronymus-Rezipienten dieses Jahrhunderts zählt Peter Abaelard, der mit dem Kirchenlehrer den theologischen Rekurs auf die pagane Philosophie und insbesondere die Rhetorik legitimiert und der sich nach dessen "exemplum" als geistlicher Berater des Klosters Paraklet stilisiert, dessen Äbtissin Heloise (+ 1164) ist. Im Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise resultiert aus dem Anliegen, eine für Frauen angemessene Adaption der Benediktsregel zu gestalten, schließlich eine Reflexion über die klösterliche Schriftlesung. Abaelard und Heloise entfalten das Ideal eines "studium scripturarum" anhand einer Relecture der Hieronymus-Schriften und setzen mit der Rezeption bzw. Nicht-Rezeption bestimmter Werke und "exempla" je eigene Akzente.
Im Zentrum des Vortrags steht einerseits die Deutung von Hieronymus-Traumvision (Brief 70), die zentral ist für Abaelards Rezeption der Rhetorik in Theologie und Exegese; andererseits das nach Hieronymus stilisierte Ideal eines wissenschaftlichen Schriftstudiums im Paraklet.
Vertraute Antike?
Antike und Gegenwart in der Lyrik Huchels, Grünbeins und Kolbes
Nicolas Wiater (Abt. für Griechische und Lateinische Philologie)
Montag 15.12.2008, 18.00 c.t., Hörsaal VI
Es gehöre zur Natur des Mythos, schreibt Hans Blumenberg in der "Arbeit am Mythos", "daß er Wiederholbarkeit suggeriert, ein Wiedererkennen elementarer Geschichten, das der Funktion des Rituals nahekommt, durch welches die unverbrüchliche Regelmäßigkeit der den Göttern wohlgefälligen Handlungen versichert und eingeprägt wird." In der deutschen Lyrik der Gegenwart wird die Rolle der Antike als eines solchen Referenzpunktes, der Orientierung und Sicherheit in der Gegenwart gewährt, problematisiert. In Huchels Gedichten ist die Rückkehr zur Antike als arkadische Landschaft der Ruhe und Sicherheit unmöglich geworden; vielmehr wird sie zur Chiffre für die Machtlosigkeit des Menschen im Angesicht von Gewalt und Tod. Bei Grünbein hingegen droht die Antike ihre Bedeutung und Bedeutsamkeit zu verlieren, weil sie zum bloßen Objekt der Konsumgier der Gegenwart reduziert wird.
Der Vortrag will den verschiedenen Facetten nachgehen, die die Antike als Bestandteil der Werke der oben genannten Autoren aufweist, und ergründen, wie in ihren Gedichten das Verhältnis von Antike und Gegenwart verhandelt wird.
Sommersemester 2008
'Come image of bare death' -
Senecas Einfluss in ausgewählten Rachetragödien der englischen Renaissance
Imke Pannen (Abt. für Anglistik, Uni Bonn)
Montag 9.6.2008, 18 Uhr c.t., Hörsaal VI
Der Vortrag zum Einfluss Senecas in der Renaissance befasst sich mit zwei Textbeispielen aus dem Genre der Rachetragödie auf den öffentlichen Bühnen. John Marston und George Chapman sind zwei Dramenautoren Englands Ende des 16. Jahrhunderts, deren Rachetragödien zweifellos von Senecas Konzept und besonders Motivik beeinflusst wurden. Der Vortrag untersucht Chapman’s The Revenge of Bussy D’Ambois und Marston’s Antonio’s Revenge besonders im Hinblick auf senezistisch stoische Züge der Rächerfiguren. In The Revenge of Bussy D’Ambois verfügt der Protagonist Clermont nicht über die geforderte Kaltblütigkeit, seinen ermordeten Bruder zu rächen, sondern versucht tugendhaft sich emotionaler Rächerwut zu entziehen; in Antonio’s Revenge ist der Titelheld Antonio bemüht, sich christlich-stoisch dem Horror diverser Bluttaten zu stellen, wirkt dabei aber eher ineffizient, während der ältere Pandulpho den Tod seines Sohnes als schicksalshaft hinzunehmen versucht.
Die Latinisierung der grammatischen Terminologie des Russischen
Prof. Dr. H. Keipert (Abt. für Slavistik des IfK, Uni Bonn)
Montag 5.5.2008, 18 Uhr c.t., Hörsaal VI
Anders als im Deutschen wird im Russischen auch in wissenschaftlicher Fachliteratur noch immere ine linguistische Terminologie verwendet, die weitgehend mitslavischen Morphemen gebildet ist und daneben nur wenige Fremdwörter bzw. -stämme enthält. Die slavischen Bildungen sind anfangs als Lehnprägungen nach griechischem Vorbild aus dem südslavischen Schrifttum übernommen worden, seit dem 16. Jh. in Rußland aber auch nach lateinischen (oder anderen westeuropäischen) Mustern entstanden. Im Vortrag soll zunächst gezeigt werden, wie man hier "heimliches Griechisch" von "heimlichem Latein" unterscheiden kann.
In den letzten Jahrzehnten läßt sich zumindest in wissenschaftlichen Publikationen zunehmend der Gebrauch von Termini lateinischer Form beobachten (etwa "infinitiv" neben - oder sogar häufiger als - "neopredelennoe naklonenie"). Für diese Entwicklung gibt es eine Reihe von sprachstrukturellen Gründen, aber sie ist in gewissem Umfang auch zeitbedingt.
In jedem Fall scheint sich die mit dem 16. Jh. beginnende Latinisierung des grammatischen Wortschatzes im Russischen auch jetzt noch weiter fortzusetzen.