Laufende Projekte

Das Centre for the Classical Tradition beteiligt sich einerseits an großen Verbundprojekten und bündelt andererseits an der Universität Bonn angesiedelte Einzelprojekte aus dem Bereich der Antikerezeption.

Die Roma Instaurata des Biondo Flavio: Kritische Edition und Kommentar

Prof. Dr. Marc Laureys (Bonn) und Dr. Fabio Della Schiava (Bonn)

Dieses Projekt setzt sich zum Ziel, eine kritische Edition der Roma instaurata des italienischen Humanisten Biondo Flavio (1392–1463) zu erstellen sowie ihre literarische, geistesgeschichtliche und wissenschaftshistorische Bedeutung in einem begleitenden Kommentar zu erhellen. Die Roma instaurata ist die erste umfassende und systematische Darstellung der Topographie und Altertümer des antiken Rom in der Frühen Neuzeit und besitzt aus zwei Gründen einen besonderen Stellenwert: Zum einen wertet Biondo ein bis dahin nicht erreichtes Spektrum an sowohl literarischen als auch archäologischen Quellen aus und entwickelt eine topographische Methode, die für zwei Jahrhunderte maßgeblich bleiben wird. Zum anderen diente dieser Text als ideologische Unterstützung für die renovatio Urbis, die von Papst Eugenius IV. eingeleitet wurde und ein wesentliches Element der päpstlichen Programmatik in der Renaissance und im Barock darstellte. Die dringend notwendige Erstellung einer verlässlichen, modernen Edition und die dadurch ermöglichte detaillierte Analyse des Traktates werden zu einem besseren Verständnis der Eigenart der Renaissance in Rom einerseits und der ersten Blüte der antiquarischen Studien in der Frühen Neuzeit andererseits wesentlich beitragen. Durch die geplante Gesamterschließung wird dieses Werkes nutzbar gemacht für Fragestellungen der Klassischen Latinistik, der Klassischen Archäologie sowie der historischen und literaturhistorischen Renaissance- und Humanismusforschung.

Das Projekt wurde 2012–2015 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.


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© ETH-Bibliothek Zürich, Rar 669 (e-rara)

Edition, Übersetzung und Kommentierung der Amoenitates Exoticae (1712) von Engelbert Kaempfer

Prof. Dr. Detlef Haberland (Oldenburg), Dr. Karl August Neuhausen (Bonn), Dr. Astrid Steiner-Weber (Bonn) und Ulrike Henny (Bonn)

Der deutsche Arzt und gelehrte Reisende Engelbert Kaempfer (1651–1716) veröffentlichte 1712 in Lemgo sein Hauptwerk, die lateinisch abgefassten Amoenitates Exoticae, ein Schlüsselwerk der frühneuzeitlichen Welterfassung in Europa. Das fast 1.000 Seiten umfassende Buch besteht aus fünf Faszikeln (zusätzlich versehen mit Einleitung, Indices und Errata-Liste), in denen Kaempfer seine vielfältigen Beobachtungen und Erkenntnisse über natürliche und geographische Gegebenheiten, Politik Kulturgeschichte sowie Landeskunde festgehalten hat, die er im Laufe seiner fast zehnjährigen Reise durch Russland, Persien, Indien, Südostasien und Japan (1683–1692) gesammelt hatte.

Kaempfer hat einen herausragenden Anteil am Prozess der Wissenschafts- und Reisegeschichte sowie an der Weiterentwicklung der verschiedenen natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen zwischen Humanismus und Aufklärung. Sein hoher Rang als profilierter neulateinischer Autor innerhalb der gesamten Entwicklung der lateinischen Sprache und Literatur von der Antike bis zum beginnenden 18. Jahrhundert ist bisher nur ansatzweise gewürdigt worden.

Das Werk liegt nur in der Originalausgabe von 1712 vor. Es ist bis heute lediglich in Teilen und zudem oftmals unter formalen (grammatischen und sprachlich-stilistischen) ebenso wie unter sachlichen Aspekten unzutreffend übersetzt und kommentiert worden; infolgedessen wurde dieses Hauptwerk für die Beurteilung von Kaempfers Leistung und seines Standorts in der Wissenschaftsgeschichte nicht genügend berücksichtigt.

Die Amoenitates Exoticae wurden daher von 2008 bis 2010 von einem Projektteam des Centre for the Classical Tradition an der Bonner Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Detlef Haberland bearbeitet, unterstützt von auswärtigen Spezialisten.

Das Projekt wurde 2008 durch die DFG gefördert. Seit Februar 2011 ist es an der Universität Oldenburg beheimatet.


Reallexikon für Antike und Christentum

Franz Joseph Dölger-Institut (Bonn)

Das RAC erforscht in Form eines Fachlexikons interdisziplinär den vielfältigen Prozess der Auseinandersetzung zwischen christlicher, jüdischer und paganer Antike und die damit einhergehende Transformation zur spätantiken Kultur bis in das 7. Jahrhundert. Konkret soll die Frage beantwortet werden: Wie wurde aus der vielschichtigen, keineswegs einheitlichen antiken Kultur, die sich seit hellenistischer Zeit in der Mittelmeerwelt entwickelte, die spätantik-christliche der folgenden Jahrhunderte? Die Bedeutung dieser Fragestellung ergibt sich aus der Tatsache, dass diese spätantik-christliche Kultur eine Vorstufe der mittelalterlichen und damit zum Teil der heutigen bildet. Verkürzt wird diese Aufgabenstellung mit der von F. J. Dölger geprägten, im Untertitel des RAC programmatisch verwendeten Formel »Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt« umschrieben. Das Lexikon ist bereits bis zum Buchstaben »T« vorgedrungen und umfasst bisher 31 Bände und einen Supplement-Band.


Kyrill von Alexandrien, Contra Iulianum: Edition, Übersetzung, Kommentar

Prof. Dr. Wolfram Kinzig (Bonn), Prof. Dr. Gerlinde Huber-Rebenich (Bern), Prof. Dr. Stefan Rebenich (Bern), Prof. Dr. Christoph Riedweg (Zürich), Prof. Dr. Adolf Martin Ritter (Heidelberg) und Prof. Dr. Markus Vinzent (London)

Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, die erste kritische Edition (Editio maior mit textgeschichtlicher Einleitung, Text, Apparaten der Varianten, Quellen und Parallelstellen) der Streitschrift Contra Iulianum des Patriarchen Kyrill von Alexandrien (ca. 380–444) zu erstellen. Die Edition soll sowohl den vollständig überlieferten Teil des Werkes (das Prosphonema und die Bücher I–X) als auch die Fragmente der ansonsten verlorenen Bücher umfassen und im Anschluss durch eine Übersetzung und einen Kommentar ergänzt werden.

Contra Iulianum richtet sich gegen die antichristliche Schrift Contra Galilaeos des römischen Kaisers Julian, der während seiner kurzen Regierungszeit (361–363) einen umfassenden heidnischen Restaurationsversuch unternahm. Diese umfangreichste erhaltene Apologie des Christentums im 5. Jahrhundert, die sich nicht nur aus theologischer, sondern ebenso auch aus philologischer und historischer Perspektive als sehr aufschlussreich erweist, ist interessierten Forschern bisher leider nur in nach modernen wissenschaftlichen Kriterien unzureichenden Ausgaben zugänglich. Dieses Desiderat wird nun von einer internationalen und interdisziplinären Projektgruppe behoben und das Werk erstmalig vollständig erschlossen.

Das Projekt wurde aus Mitteln der DFG gefördert. Die zweibändige Edition ist 2015–2017 in der Reihe »Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte« bei De Gruyter erschienen.


Der Humanistenzirkel um Georg Cassander (1515–1566) und seine Irenik

Teilprojekt: Kommentierte Edition der Gelehrtenkorrespondenz des burgundischen Juristen Jean Matal (um 1517–1597)

Dr. Peter Arnold Heuser

Das Forschungsprojekt, das bereits zu mehreren Publikationen geführt hat, gilt der patristischen Irenik eines internationalen Humanistenzirkels, der sich um 1550 am Niederrhein um den flämischen Humanisten Georg Cassander (†1566) gruppierte und bis in die 1590er Jahre hinein an einer Überwindung der Religionskonflikte des frühen konfessionellen Zeitalters arbeitete. Im Zentrum des Interesses stehen (a) die Quellen, aus denen sich das religiöse Ausgleichs- und Toleranzdenken des Zirkels speiste, (b) die Phänomenologie und internationale Vernetzung der Irenik des Zirkels sowie (c) ihre Rezeptionsgeschichte vom 16.–18.Jahrhundert. Eine Hauptperson des Zirkels ist der Philologe, Rechtshistoriker, Epigrafiker und Atlaskartograf Jean Matal aus der Freigrafschaft Burgund, dessen europäisch dimensionierte Gelehrtenkorrespondenz, die mittlerweile als Briefinventar vorgestellt werden konnte, ein irenisches Netzwerk konstituiert, dessen Erforschung von grundlegender Bedeutung für ein Verständnis der Irenik des Cassander-Zirkels ist. Die kommentierte Edition seiner Korrespondenz und Gelegenheitsdichtung soll das Teilprojekt für Jean Matal abschließen.


Kritische Edition: The Image of Governance, or The Life of Severus Alexander (1541) von Sir Thomas Elyot

Prof. Dr. Uwe Baumann (Bonn)

Dieser kleine Fürstenspiegel ist eine philologiehistorische Sensation, weil erstens der Humanist Elyot wohl als erster die Vita des Severus Alexander in der HA als Fürstenspiegel verstand, diese Vita zweitens ingeniös zur Grundlage seines Fürstenspiegels machte, und drittens einige der skurrilen literarischen Späße des HA-Verfassers weiterführte, u.a. durch Rückgriffe auf erfundene Gewährsmänner.

 


Napoleo Latinitate vestitus

Erstausgabe, Übersetzung und Kommentierung von vielen bisher unbekannten bzw. noch nicht veröffentlichten lateinischen Dichtungen zu Napoleon im 19. Jahrhunder

Dr. Hermann Krüssel (Aachen) und Dr. Karl August Neuhausen (Bonn)

»Napoleon in lateinischen Texten seiner Zeit« gehört sicherlich zu den auch für die breite Öffentlichkeit interessantesten, heute jedoch allgemein fast völlig unbekannten und sogar von der Fachwissenschaft der Neolatinistik kaum beachteten Themen der neulateinischen Literatur. Rund 300 lateinische Gedichte (mit 27.000 Versen) wurden gesammelt, die die Entstehung und verschiedenen Ausprägungen des Bildes Napoleons beleuchten. Dabei stellt sich heraus, dass Napoleon wie nur wenige andere historische Persönlichkeiten sowohl euphorische Begeisterung als auch abgrundtiefe Verachtung ausgelöst hat.

Erstmals sollen die Napoleon betreffenden originellen lateinischen Gedichte, die von zahlreichen Autoren in ganz Europa vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts verfasst und zumeist publiziert wurden, heute jedoch allgemein in nahezu völlige Vergessenheit geraten sind, in einer kommentierten Gesamtausgabe (mit adäquaten metrischen Übersetzungen) vorgelegt werden. Vielfach orientierten sich die Dichter an klassischen antiken Vorbildern, vornehmlich an Vergil, Horaz und Ovid, den größten römischen Dichtern der Zeit des Kaisers Augustus; demgemäß sind viele kunstvolle Metren und poetischen Gattungen (von der Panegyrik bis zur Invektive) zu finden in den Gedichten, die in der Tradition der humanistisch geprägten neulateinischen Poesie auf einem hohen literarischen Niveau stehen. Darüber hinaus erweisen sich diese heute in Vergessenheit geratenen poetischen Texte auch als historische Originaldokumente, die für das Verständnis der Geschichte Zentraleuropas im 19. Jahrhundert von großer Bedeutung sind.

Einleitungen präsentieren grundsätzlich den historischen Hintergrund und den Aussagewert des betreffenden Gedichtes sowie eine Übersicht über verschiedene Aspekte des Gedichts (Autor, Fundort, Überlieferung, Rezeption u.a.) sowie einen Bestandsnachweis des Gedichtes. Übersetzungen werden in einer metrischen Form präsentiert.

Aus dem Forschungsprojekt sind bislang drei Bände hervorgegangen, die in der Reihe »Noctes Neolatinae« erschienen sind.

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© Wikimedia Commons

Präsentation komplexer Überlieferungsdaten

Neue Wege der Präsentation textkritischer und überlieferungsgeschichtlicher Daten

Prof. Dr. Thomas Schmitz (Bonn) und Prof. Dr. Idris Samawi Hamid (Colorado State University)

Die Präsentation oftmals komplexer Überlieferungsdaten in knapper, professioneller Weise ist seit der Entstehung der klassischen Philologie als akademischer Zunft im 19. Jahrhundert eine der Kernkompetenzen unserer Disziplin. Im kritischen Apparat mit seinen oftmals zahlreichen Unterabteilungen (etwa Similien-, Testimonien- und/oder Nachahmungsapparat) wird auf engstem Raum das Ergebnis jahrhundertelanger Überlieferungen kondensiert; er wurde für andere Disziplinen, die textkritische Editionen erstellen, vorbildlich.

Es ist jedoch deutlich, dass diese Darstellungsform der Epoche des gedruckten Buches angehört, die wir gerade hinter uns zu lassen im Begriff stehen. Neue Medien bieten neue Möglichkeiten, die Ergebnisse der Überlieferungsgeschichte und der textkritischen Bearbeitung in anschaulicher Form zu präsentieren. Das Projekt möchte, zunächst in ganz offener Form, über solche neuen Wege und Möglichkeiten nachdenken, Anforderungen sammeln und ordnen und dann über technische Umsetzungen beraten; in einem weiteren Schritt sollen in Zusammenarbeit mit Kollegen aus anderen Disziplinen anhand von Modellbeispielen diese neuen Wege paradigmatisch vorgestellt werden.

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